Partikelcharakterisierung mit produktgerechter Dispergierung
Partikelsysteme bestehen aus einer dispersen Phase (Feststoffpartikel, Flüssigkeitströpfchen, Blasen), die in einem gasförmigen oder flüssigen Dispersionsmedium verteilt ist. Bei der Charakterisierung dieser dispersen Systeme interessieren meist die physikalischen Eigenschaften (wie Partikelgröße oder Partikelform) und Verteilungsmerkmale der Einzelpartikel (Häufigkeitsverteilung, Verteilungsdichte) der dispersen Phase. Feststoffpartikel unterliegen jedoch verschiedenen Bindungsmechanismen, die je nach Partikelgröße, Stoffeigenschaften, Partikelkonzentration und Dispersionsmedium dazu führen, dass die Einzelpartikel agglomerieren. Aufgabe der Dispergierung ist die Überwindung der Haftkräfte zwischen den agglomerierten Partikeln, um diese für den Sensor als Einzelpartikel messbar zu machen. Grundsätzlich gilt, dass die Bindungsenergie zwischen den Partikeln, und damit das Beharrungsvermögen der Agglomerate, mit abnehmender Partikelgröße zunehmen. Entsprechend sind bei kleineren Partikelgrößen in der Regel höhere Dispergierkräfte erforderlich.
Die Qualität der Dispergierung bestimmt die Aussagekraft und Zuverlässigkeit der Analyse. Eine produktgerechte Analyse impliziert, dass die vorliegenden Partikelsysteme möglichst so vermessen werden, wie sie vorliegen. Das Messgerät soll sich den Besonderheiten des Produkts anpassen und die Probe möglichst in ihrem Originalzustand analysieren – ohne eine aufwendige Probenvorbereitung, die das Partikelsystem unnötig verändert. Trocken vorliegende Produkte – wie Pulver, Fasern oder Granulate – sind daher am besten trocken zu vermessen ebenso wie flüssige disperse Systeme – wie Suspensionen, Emulsionen oder Gele – nass zu charakterisieren sind. Sprays und Inhalate sind entsprechend produktgerecht als Feststoff- oder Tröpfchenaerosole zu erfassen.
Unsere innovativen Messsysteme zur Laserbeugung und dynamischen Bildanalyse sind modular aufgebaut, und werden mit geeigneten Dispergiersystemen und Dosieroptionen den jeweiligen trockenen oder nassen Applikation produktgerecht angepasst. Für jedes trockene und nasse Produkt vom Submikron- bis in den Millimeterbereich stehen innovative und flexible Dispergierverfahren zur Verfügung. Durch den Einsatz und die Kombination unterschiedlicher Dispergierprinzipien wird die erforderliche Dispergierenergie präzise und reproduzierbar in das zu vermessende Partikelsystem eingetragen. In einem konstanten Massenstrom werden dem Sensor die optimal dispergierten Einzelpartikel zugeführt. Dies gelingt mit dosierbaren und leistungsfähigen Kräftekombinationen für feste Agglomerate kleinster Partikel ebenso erfolgreich wie die schonende Dispergierung metastabiler, grober Partikel.
Haftkräfte zwischen Partikeln
Die am häufigsten zu beobachtenden Anziehungskräfte sind die auf benachbarte Oberflächen wirkenden Van der Waals-Kräfte (Dipol-Wechselwirkungen zwischen Atomen und Molekülen). Diese haben eine geringe Reichweite, sind aber bei engem Kontakt zwischen sehr kleinen Feststoffpartikeln unter 10 µm von großer Bedeutung und spielen in gasförmigen wie flüssigen Medien eine Rolle. Weiterhin entstehen bei gröberen Partikeln in Gegenwart von Flüssigkeit (Restfeuchte) in sonst trockener, gasförmiger Umgebung Haftkräfte aus Flüssigkeitsbrücken. Die Oberflächenspannung der Flüssigkeit erzeugt einen kapillaren Unterdruck, der die Partikel zueinander hin zieht. Zwischen Partikeln mit gegenpolig aufgeladenen Oberflächen findet zusätzlich eine elektrostatische Anziehung statt, die insbesondere bei Mikrokörnungen unter 50 µm eine signifikante Rolle spielen kann. Weiterhin weisen manche Stoffe selbst magnetische Eigenschaften auf, die die Haftkräfte und Bindungsneigung weiter erhöhen.
Bei Partikelgrößen unter 50 µm wird eine gezielte und produktgerechte Einleitung wirksamer Dispergierkräfte zur Vereinzelung der Partikel mit abnehmender Partikelgröße zunehmend wichtiger. Bei Partikelgrößen über 50 µm hingegen dominieren meist Massenkräfte (Schwerkraft, Fliehkraft, Trägheit) oder Oberflächenkräfte (Anströmung, Auftrieb) und wirken den Bindungskräften und einer Bildung von Agglomeraten entgegen – insbesondere wenn die dispersen Systeme in Bewegung sind. Hier genügen meist eine moderate Beschleunigung der Partikel (im Injektor oder Freifallschacht) oder die Zirkulation und Anströmung in einem Messkreislauf.
Die angegebenen Partikelgrößen dienen nur zur groben Orientierung und zur Illustration der Bedeutung der sich überlagernden oder gegeneinander wirkenden Kräfte. Die tatsächlichen Haftkräfte sind immer in Abhängigkeit vom konkreten Produkt zu beurteilen.